Geschichte der Ziegelhütte
Ein Grossbrand legte am 18. März 1560 das ganze Dorf Appenzell in Schutt und Asche. Jetzt lernte man den besonderen Wert einer harten Bedachung richtig schätzen. Weil sich die damaligen Baumeister nach dem verheerenden Dorfbrand verpflichtet hatten, die Leitung der Aufbauarbeiten beim Wiederaufbau ohne Entschädigung zu übernehmen, stand ihnen die Ziegelhütte unentgeltlich zur Verfügung. 1566, sechs Jahre nach dem Brand Appenzells, wurde die Ziegelhütte mit dem heute noch stehenden Brennofen neu erstellt.
Am 18. Februar 1606 beschloss der sogenannte Wochenrat, dass man die Ziegelhütte, welche ein Sturm umgeworfen hatte, wieder "buwen solle, dann man allhier ohne Ziegl nit langen sin khönne". Auf einen Ratsbeschluss von 1638 hin musste der Landesbauherr von Appenzell die Ziegelhütte instandstellen. Sie befand sich damals immer noch im Eigentum des Landes Appenzell, wurde zur Bewirtschaftung aber einem Ziegler übergeben. Vom 22. Juni 1836 bis zum 11. November 1837 verpachtete die "Hohe Regierung" die Ziegelhütte.
Am 3. Juni 1850 beschloss der "grosse zweifache Landrat", dass die sich im Staatsbesitz befindliche Ziegelhütte nur noch anlässlich einer öffentlichen Versteigerung verpachtet werden dürfe. Darauf übernahm sie vom 1. November 1850 bis 21. April 1857 der Ziegler Jakob Signer. Weil die Ziegelhütte aber auf Boden des Quartiers Ried stand, wandten sich am 2. Dezember 1856 die Verantwortlichen der Genossenschaft Ried an den Wochenrat, um sich gegen den Verkauf von Grund und Boden zu wehren, welcher laut Stiftung Armeneigentum sei, das in seinem ganzen Umfang und Inhalt in allen seinen Teilen unantastbar und unveräusserlich ist. Danach wurde die Ziegelbrennerei samt allen dazugehörenden Gebäulichkeiten und Wohnhaus, jedoch ohne eigentümlichen Grund und Boden, um den Anschlagpreis von 1600 Gulden und 20 Franken Trinkgeld an Johann Anton Schmid verkauft und ging somit erstmals in Privatbesitz über.
Acht Jahre später, am 29. März 1865, versteigerte Schmid die Ziegelhütte. Ein häufiger Handwechsel setzte ein: 1866 wurde sie gleich viermal weiterverkauft. Am 6. Februar 1868 erwarb Schuster Johann Anton Hersche die Ziegelhütte und betrieb sie immerhin vier Jahre lang. 1872 wurde sie wiederum zweimal weiterverkauft. Offenbar gelang es den ersten selbständigen Zieglern in Appenzell nicht, mit der Ziegelfabrikation auf einen grünen Zweig zu kommen.
Mit Gottlieb Waibel übernahm am 27. Februar 1873 schliesslich ein sehr erfahrener Ziegler die Ziegelhütte. Am 5. Oktober 1875 ging sie an Valentin Gschwend, Hafnermeister von Altstätten, über. Am 15. April 1881 überliess Gschwend die Ziegelhütte seinem Schwiegersohn Heinrich Buschauer, welcher schon vor seiner Heirat mit der einzigen Tochter seines Arbeitgebers viele Jahre lang in der Ziegelei gearbeitet hatte. Er baute die Ziegelhütte aus und brachte den Betrieb voran. Am 23. Dezember 1922 ging die Ziegelhütte an seinen Sohn Karl Heinrich Buschauer über. Die Ziegelhütte befand sich jetzt schon in der III. Generation derselben Familie. Karl Buschauer führte die Ziegelei weiter bis zu deren Stillegung im September 1957.
Durch die Inbetriebnahme der neuen Ziegelei Istighofen – der damals modernsten Ziegelei Europas – wurden die Inhaber der meisten Kleinziegeleien gezwungen, ihre Betriebe zu modernisieren. Das bedeutete, dass die Ziegeleien, die ihre Produkte bisher lufttrockneten, auf elektrisches Trocknen und Brennen mittels Elektrokammern umstellten und somit den Ganzjahresbetrieb anstelle des Sommerbetriebes einführen mussten. Aus diesen, wie auch aus gesundheitlichen Gründen, entschloss sich der letzte Betreiber der Ziegelei Appenzell, die Maschinen im Frühjahr 1958 nicht mehr anlaufen zu lassen. Bis ins Jahr 1981 wurde hier nur noch der Wiederverkauf als Zwischenhandel betrieben.
Danach stand das grosse Gebäude ohne zweckgebundene Funktion da und sollte eigentlich abgerissen werden. Um aber das historische Bauwerk, das älteste Industriedenkmal Appenzells, nach Möglichkeit zu erhalten, verkauften die Erben die Ziegelhütte zur Weiterverwendung als Kulturzentrum. 1999 wurde das Gebäude von Heinrich Gebert für die „Stiftung Museum Carl Liner Vater und Sohn“ (Stiftung Liner Appenzell; heute: Heinrich Gebert Kulturstiftung Appenzell) erworben. Die Stiftung baute das ehemalige Kulturzentrum zur heutigen, multifunktionalen Kunsthalle Appenzell um.


