Carl August Liner und Carl Walter Liner
Ägypten und das Mittelmeer
Dienstag, 16. November 1999 - Sonntag, 26. März 2000
Die Faszination der Menschen in Nordeuropa an der mediterranen Kultur lässt sich über Jahrhunderte zurückverfolgen. In der Rezeption dieser für die Reisenden so exotischen Welt fallen die immer wiederkehrenden Wellenbewegungen auf. So gab es einen ersten Aufschwung im 18. Jahrhundert durch die wohlhabenden englischen «Touristen», die einmal in ihrem Leben eine «Grand Tour» durch Europa (mit den Schwerpunkten Schweiz und Italien) unternehmen wollten. In der Romantik kam die Begeisterung an der Natur, an den beeindruckenden Landschaften, aber auch am Pittoresken verschlafener Städtchen hinzu. Zu Beginn unseres Jahrhunderts war es vor allem die Sehnsucht nach dem unverfälschten, ursprünglichen Leben, das in der Ferne, jenseits vom Arbeitsalltag gesucht wurde.
Ägypten, seit Napoleons Feldzug von 1798 wieder im Blickwinkel der gebildeten Öffentlichkeit, und durch G. Verdis 1871 uraufgeführte Oper «Aida» auch breiteren Kreisen vertraut, wurde 1922 erneut von einer Woge der Popularität erfasst, als der englische Archäologe Howard Carter erstmals ein unversehrtes Pharaonengrab (Tutanchamun) entdeckte.
So ist es kein Zufall, wenn Carl August Liner 1934 für drei Monate nach Tura südlich von Kairo und nach Unterägypten fährt. Sein Sohn Carl Walter Liner verbringt in der Nachfolge des Vaters ein halbes Jahr in Ägypten. Für beide sind die Aufenthalte entscheidend im Hinblick auf eine von der Leuchtkraft der Farbe bestimmten Malerei.
Eine tiefe Affinität zu den Ländern des Mittelmeeres prägt auch weiterhin das künstlerische Schaffen von Carl Walter Liner. Auf zahlreichen Reisen nach Algerien, Italien, Korsika und vor allem Südfrankreich entwickelt er sein ganz eigenes Bild des Südens. Die annähernd siebzig in der Ausstellung gezeigten Gemälde konzentrieren sich auf die Zeit vom Ende der vierziger Jahre bis in die sechziger Jahre. Carl Walter Liner lässt kaum Figuren in diesen Werken agieren. Es handelt sich hauptsächlich um reine Landschaftsbilder, wobei eine bestimmte Topographie weniger von Bedeutung ist. Kleinformatige Gemälde zeigen wenige Gegenstände: einen Berg, einen Baum, etwas Himmel, gelegentlich ein Meeressegment, Häuser. Diese Versatzstücke reichen Liner. Er spielt mit ihnen, variiert sie in immer wieder neuen Zusammenstellungen. Der pastose hell-warme Farbauftrag lässt einen langwierigen Entstehungsprozess erahnen. In vielen Übermalungen sind diese Miniaturen gewachsen. Ganz andere Vorgehensweisen zeigen sich in den grossen Formaten. Hier kann das Farbmaterial schrundig zerklüften, Reliefcharakter annehmen. Die Palette differenziert stärker, reine Farben stehen neben Mischfarben. Zu ihnen sind schwarze Konturbänder in heftigem Kontrast gesetzt. Aber auch ein gänzlich anders geartetes Malen ist möglich: zart aufgetragene Farbe in vielen Übergängen. Hier werden die Farbwerte einem Gewebe gleich miteinander verbunden. Immer wieder wird spürbar, dass Carl Walter Liner zutiefst vertraut ist mit der Grammatik abstrakter Malerei.
Viele der in der Ausstellung vereinten rund 170 Werke stammen aus Privatbesitz und wurden nie zuvor öffentlich ausgestellt.