Hans Arp
Metamorphosen 1915-1965
Samstag, 08. April 2000 - Sonntag, 13. August 2000
Aus der Sammlung der Fondazione Marguerite Arp, Locarno
Die erste grosse Ausstellung des im September 1998 eröffneten Museum Liner Appenzell ist einem der bedeutendsten und einflussreichsten Künstler des 20.Jahrhunderts, Hans Arp (1886-1966), gewidmet. Obwohl man seine Werke weltweit in Museen antrifft und seine Plastiken in zahlreichen öffentlichen Anlagen aufgestellt wurden, sind Arps Werke noch nie in grösserem Umfang in einem Museum der Ostschweiz geszeigt worden. Hans Arp wächst auf im damaligen deutschen Elsass, früh wird ihm bewusst, dass er zum Künstler bestimmt ist. Nach Studien in Strassburg, Weimar und Paris entwickelt er schon um 1909 in der abgeschiedenen Rigi-Landschaft von Weggis eine höchst originelle ungegenständliche Malerei, mit einem transparenten Netz aus vertikalen und horizontalen Linien in Schwarz, Weiss und Grau. Niemand versteht die Werke, völlig entmutigt zerstört er sie.
In den folgenden Jahren beteiligt er sich an Austellungen, u.a. ist er mit Zeichnungen an der zweiten Ausstellung des "Blauen Reiter" in München vertreten. 1914 freundet er sich mit dem jungen Max Ernst an und lässt sich, um der deutschen Mobilmachung zu entgehen, in Paris nieder, wo er zum Kreis der Künstler von Montmartre und Montparnasse gehört. Der ausbrechende erste Weltkrieg treibt ihn ins Schweizer Exil, hier lernt er die Appenzellerin Sophie Taeuber, seine spätere Lebensgefährtin, kennen. 1916 gehört Arp zu den Mitbegründern des "Cabaret Voltaire" in Zürich, der Keimzelle des Dadaismus. Schockiert von der Bankrotterklärung der abendländischen Kultur, die sich in den sinnlosen Vernichtungsschlachten des Krieges manifestiert, brechen die Dadaisten mit den Normen, die bisher die Kunst begründeten.
Materialien des Alltags, Fundstücke, Abfall, werden kunstwürdig."Dada ist ohne Sinn wie die Natur. Dada ist für die Natur und gegen die Kunst. Die akademische Malerei beschreibt, gibt Illusion statt Leben und Natur." Arp und seine Freunde führen konsequenterweise bisher verschmähte, "kunstfremde" Vorgehensweisen in die Kunst ein, wie das spielerische Element oder auch das "Gesetz des Zufalls", mit Folgen, die bis in unsere unmittelbare Gegenwart ihre Faszination ausüben sollten. Konsequenterweise überschreitet Arp auch die Grenzen zu den Nachbarkünsten, bis zu seinem Tod entstehen zahlreiche Gedichte und Prosatexte. In den zwanziger Jahren entwickelte Arp vor allem im Relief bahnbrechende Innovationen. So können in dem in der Ausstellung gezeigten Relief "Teller, Gabeln und Nabel", die Einzelformen auch als Kopf, Hände und Auge gelesen werden. Die Formen weden mehrdeutig, der Betrachter muss seine eigene Imaginationskraft einbringen. Ganz ähnlich geht Arp in der dreidimensionalen Rundplastik vor, mit der er sich erstmals in den 30er Jahren beschäftigt und in der Folge als ein Pionier der gegenstandslosen Plastik entwickelt. Seine Formensprache operiert mit weichen, runden Gebilden in Analogie zum Wachstum der Natur. Arp gibt nicht Naturformen wieder, sondern schafft neue Formen, die vielfache Assoziationen zu organischen Gebilden ermöglichen. Eine weitere Ebene erreicht Hans Arp durch seine komplexen, poetischen Bildtitel, die das jeweilige Werk nicht "erklären", sondern ihm eine weitere Dimension hinzufügen. Trotz aller dynamischen Spannung, die den Arbeiten von Hans Arp innewohnt, strahlen sie häufig eine kontemplative und harmonische Ruhe aus, die zuweilen an das meditative Element in der asiatischen Ästetik erinnert.
Der Metamorphose, der "ewigen Dauer im Wechsel" (Ovid), als einem Leitmotiv im Schaffen von Hans Arp, ist diese Ausstellung gewidmet. Sie entstand in enger Zusammenarbeit mit der Fondazione Marguerite Arp, Locarno, von der - bis auf zwei Ausnahmen aus dem Besitz des Museum Liner Appenzell - alle der über hundert Exponate stammen.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch mit Beiträgen von Peter Dering, Rudolf Suter und Greta Ströh sowie mit Gedichten und Prosatexten von Hans Arp. Es hat einen Umfang von 168 Seiten, enthält 149 Abbildungen, davon 59 in Farbe.