Volker Altrichter

Neue Bilder

Samstag, 07. April 2001
- Sonntag, 24. Juni 2001

Kunstmuseum Appenzell

Das beginnende 21. Jahrhundert ist bestimmt von der Ausweitung der bildnerischen Medien, Installationen füllen die Räume, das herkömmliche Tafelbild scheint fast völlig von Videoclip und dem Computerbildschirm verdrängt worden zu sein. Es gibt sie aber noch, oder wieder, die Künstler, die sich der Malerei nicht verweigern, das an der Wand hängende Hoch- oder Querrechteck (seltener das Quadrat oder andere Formate) für ihr ureigenes Anliegen halten. Volker Altrichter ist einer dieser Künstler, die sich der Malerei nicht verweigern. Und doch muss man ihn eher seinen Altersgenossen am Computertisch als den Malern früherer Zeiten in ihren öltriefenden Kitteln zugesellen. Seine Bilder unterscheiden sich - weniger von ihrer Entstehungsweise als von ihrem Eindruck - deutlich von einer auf individueller Gestik zielenden Peinture. Es dominieren klare, wie ausgeschnitten und eincollagiert wirkende Formen in ebenso klaren, deutlich kontrastierenden Farben.
 

Volker Altrichter gebraucht sein Medium eher unspezifisch. Erinnerungen an druckgrafische Techniken stellen sich nicht wie von ungefähr ein, Altrichter ist auch ein Holzschneider sui generis. Von hier stammt wohl auch die Reduktion und Verdichtung auf einen zeichenhaften Kern, das 'Wegschneiden' alles Nebensächlichen. Die Beschränkung auf wenige wesentliche Grundformen verlangt eine hohe Erfindungsgabe, die Fähigkeit, neue, interessante - uns interessierende - Figuren zu schaffen. Dabei geht es weniger darum, noch nie Gesehenes auf den Bildträger zu fixieren, als vielmehr gewisse Urtypen für den modernen Gebrauch zu reanimieren. Allen Formen in Altrichters Bildsystemen ist etwas gemeinsam: Sie sind uns nie ganz fremd, aber auch nie so recht vertraut. Wir müssen dabei zwischen unterschiedlichen Bildgattungen unterscheiden. Kleinteilige, zu Serien angeordnete Bildtafeln führen uns inventarmässig Grundbestandteile von Altrichters Vokabular vor: auf monochromem Grund finden sich singuläre komplexe Gebilde oder, höchst lapidar, wie in Zellteilung vervielfältigte, geklonte Urgebilde in meist runder oder ovaler Form.
 
 
Aus diesen Versatzstücken baut Volker Altrichter in seinen grossformatigen Bildtafeln 'höhere' Existenzformen auf. Das können vernetzte Systeme aus gleichberechtigten Teilen sein, oder auch rudimentäre Handlungsverläufe. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, Statische Inseln in einem Bewegungsfluss, alles ist möglich, alles passt zusammen. "Realität" zersplittert sich in Realitäten. Man spürt bei Volker Altrichter die Reaktion auf den Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften.
 

Aber seiner Kunst eignet auch ein spielerisches Element. In diesem Spiel bringen eigens entworfene Bausteine nach eigenen Regeln neue Weltbilder zum Kreisen. Wie sagte Man Ray so schön: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann... Auch wenn die Szenerien irreal wirken: Es ist nicht jener surreale Schock, den Lautréamont provozieren wollte, als er sich die Verbindung von Regenschirm und Nähmaschine auf einem Seziertisch imaginierte, sondern vielmehr eine phantasierte Realität, die uns der "blöden Wirklichkeit" (H.Hesse) enthebt und auf einer anderen Ebene etwas über die permanenten Metamorphosen des Seins sagt.
 

In der Ausstellung sind ca. 90 Werke (Gemälde und Farbholzschnitte) zu sehen, eine Reihe von ihnen wurden speziell für diese Ausstellung geschaffen. Es erscheint ein Katalog mit 54 Seiten und 22 Farbabbildungen. Zum Shop

Ausstellung
Tickets
Volker Altrichter, Ghost Dog, 150x220, Holz-Zellstoff-Acrylfarbe-Wachs, 2000