Max Ernst

Surreale Welten

Samstag, 22. Juni 2002
- Sonntag, 08. September 2002

Kunstmuseum Appenzell

Der Titel der Ausstellung "Surreale Welten" nennt die von Max Ernst mit-"erfundene" Kunstrichtung und lässt bereits im Begriff "Welten" die Vorstellung verschiedener Existenzmöglichkeiten anklingen, deren Vielfalt von kaum einem anderen Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts so ausgelotet wurde wie vom Protagonisten der Ausstellung.
 

1891 im rheinischen Brühl geboren, als Sohn eines Taubstummenlehrers und Hobbymalers, studiert Ernst in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg im nahe gelegenen Bonn. Seine kreative Individualität lässt ein blosses berufsqualifizierendes Studium nicht in Frage kommen. Der angehende Akademiker studiert neben Kunstgeschichte u.a. Psychologie, Germanistik, Medizin und Philosophie. Sein wacher Blick lässt ihn dabei Phänomene wahrnehmen, die den Fachleuten nicht unbedingt auffallen. So fasziniert ihn während seiner studienbedingten Aufenthalte in der Psychiatrie die Produktion der Insassen. Neben seinen Studien erprobt sich der junge Max Ernst bereits vielversprechend als Maler. Er gehört zur Gruppe der so genannten "Rheinischen Expressionisten" und befreundet sich mit deren Haupt, dem Bonner August Macke.
 

Max Ernsts expressive Malerei in kräftigen Farben findet ein Ende mit dem Kriegsausbruch 1914. Sein Freund Macke fällt in den ersten Wochen, aber auch Max Ernst "starb am 1. August 1914. Er kehrte zum Leben zurück am 11. November 1918 als junger Mann, der ein Magier werden und den Mythos seiner Zeit finden wollte." Ernst zieht nach Köln und wird Mitbegründer der dortigen DADA-Sektion, die mit provokanten Nonsens-Aktionen gegen alle Konventionen rebelliert. 1922 siedelt er nach Paris, wo er eine dominierende Position unter den surrealistischen Künstlern einnimmt. 1941 emigriert Max Ernst nach Nordamerika, erst 1953 kehrt er nach Frankreich zurück. Er stirbt 1976.
 

Die Max Ernst Ausstellung im Appenzellerland zeigt den Künstler als herausragenden Grafiker. Es gibt wohl, ausser Picasso, keinen zweiten Künstler in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, der so innovativ die Grenzen der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten erweiterte. Durchreibetechniken (Frottagen), Abklatschverfahren (Decalcomanien) vor allem aber seine Fotocollagen beeinflussten die folgende Künstlergeneration nachdrücklich. Max Ernst ist der erste Künstler, der auch billige Reproduktionsweisen in sein Schaffen mit einbezieht. Seine Collagenromane machen als Reproduktionen ihren Herstellungsprozess, den Klebecharakter der Originalcollagen, unkenntlich. Sein Leben lang, von den ersten Linolschnitten aus dem Jahr 1912 bis kurz vor seinem Tod 1976, entstehen viele Buchillustrationen befreundeter Dichter, aber auch visuelle Kommentare zu von ihm geschätzten Schriften wie Lewis Carolls "The Hunting of the Snark" oder Werner Heisenbergs "Die Bedeutung des Schönen in der exakten Naturwissenschaft". Neben den illustrierten Büchern, die zu den schönsten Künstlerbüchern des zwanzigsten Jahrhunderts zählen, schafft Max Ernst hunderte von Einzelblättern in allen erdenklichen Drucktechniken.
 

Seine ersten Nachkriegswerke sind Grafiken und orientieren sich an Künstlern der italienischen Pittura Metafisica wie Giorgio de Chirico oder Carlo Carrà. Im Gegensatz zu den Vorkriegsarbeiten zeigen sie streng-lineare Platzsituationen mit eigenartigen Architekturen und leblosen Puppen gleichenden Menschen. 1926 erscheint die "Histoire Naturelle", eine ausgedehnte Folge von Einzelblättern, die Max Ernsts Sicht der Naturgeschichte liefert. Basierend auf Frottagen von unterschiedlichsten Materialien faszinieren die erkennbaren, feinen Mikrostrukturen und Metamorphosen ihrer Vorlagen. Das Blatt eines Baumes wird zum Flügel eines Insektes und umgekehrt.
 

Wohl den Höhepunkt seines druckgrafischen Werkes stellt das 1964 erschienene Buch"Maximiliana" dar. Es entstand in Zusammenarbeit mit dem Typografen Illiazd (Ilya Zdanévitch). Dem Andenken an Ernst Guillaume Leberecht Tempel gewidmet, besticht das Werk durch die neuartige Verbindung von Schrift, die zum Teil in freien Buchstabenfolgen, in Diagonalen oder Zickzacklinien über das Blatt läuft, und Grafik in Form archaischer Schriftblöcke oder Darstellungen von Kosmos und Gestirnen.
 

Die Ausstellung im Museum Liner Appenzell vereinigt rund 100 Einzelblätter und 25 illustrierte Bücher. Ergänzt wird sie durch weitere Arbeiten von Max Ernst, u.a. fünf Bronzeskulpturen, aus öffentlichem Besitz.

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