Carl August Liner und Carl Walter Liner
Zwischen München und Terracina und Im Bann der École de Paris
Sonntag, 29. Juni 2003 - Sonntag, 12. Oktober 2003
Erstmals präsentiert die neue Kunsthalle Ziegelhütte in einer Zeichnungs- und einer Gemäldeausstellung ausschliesslich Aspekte aus dem Schafffen von Carl Liner Vater und Sohn. Carl August Liner (1871 - 1946)Zwischen München und TerracinaArbeiten auf Papier von 1890 bis um 1900Der in der St. Galler Kantonsschule schon früh durch sein zeichnerisches Talent auffallende Carl August Liner ist ein Kind des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Nach der Matura nimmt er ein Studium an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München auf, einem der damals wichtigsten Kunstzentren Europas. Geschult an den dort vermittelten spätimpressionistischen und vom aufkeimenden Jugendstil geprägten Strömungen, kehrt C.A. Liner 1884 in seine Heimatstadt zurück, wo er auch als Zeichenlehrer tätig ist. Die in der bayerischen Metropole entstandenen zarten Porträts und Landschaftsstudien finden ihre Fortsetzung stilistisch in der heimatlichen Ostschweiz. Auch nach der Jahrhundertwende immer wieder ins gross-städtische München zurückkehrend, bricht Liner im November 1887 zu einer Studienreise auf, die ihn über Rom ins süditalienische Terracina am Rand der Pontinischen Sümpfe führt. Hier scheint der Maler ein zweites Mal den Einfluss des Lichts auf die von ungebrochener Farbigkeit bestimmten "Impressionen" zu erfahren. In ausführlichen, lebhaften Briefen berichtet er von jenen glückserfüllten Momenten, die sich dem heutigen Betrachter in den einfühlsamen Aquarellen aus Terracina vermitteln. An Malaria erkrankt, muss Liner seinen Aufenthalt im Sommer 1898 vorzeitig abbrechen. 1899 weilt er für kurze Zeit im mondänen Paris, dem wohl bedeutendsten Kunstzentrum der Jahrhundertwende. Wie viele seiner Künstlerkollegen wendet er sich vorerst vom Grossstadtleben ab und fühlt sich der heimatlichen Ostschweiz zunehmend verbunden, was sich durch seine Hochzeit mit der ebenfalls aus St. Gallen stammenden Cécile Bernet noch verstärkt. Eines seiner schönsten Bilder aus der Zeit um 1900 zeigt seine junge Lebenspartnerin jedoch wieder vor den Bäumen des Englischen Gartens in München.
Carl Walter Liner (1914 - 1997)
Im Bann der École de Paris
Gemälde der Fünfziger- und Sechzigerjahre
Geprägt von den brüsken Veränderungen der Kriegs- und der Nachkriegszeit macht Carl Walter Liner sich wie andere Zeitgenossen daran, der - vor allem in Deutschland - fragwürdig gewordenen "abbildhaften" Malerei durch eine Erweiterung der malerischen Mittel neue Glaubwürdigkeit zu verschaffen. In Auseinandersetzung mit der so genannten Zweiten École de Paris wird Liner zum Verfechter einer gegenstandsfreien, mit prozessualen Bildformen experimentierenden Malerei. Der seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wiederum in Paris arbeitende Künstler ist gleichzeitig einer der Protagonisten des "Art Informel" in der Schweiz, einer "formlosen", weder am Gegenständlichen noch an der geometrischen Abstraktion sich orientierenden gestischen Malerei. Parallel zur Zurücknahme des "Abbildhaften" eröffnen sich C.W. Liner in den Kompositionen der Fünfziger- und Sechzigerjahre neue Dimensionen des Spirituellen und des Magischen. Für ihn bedeutet die Abstraktion nicht ein "Abwenden von der Natur", sondern "eine neue Sicht der Natur", die der Gefühlswelt freien Lauf lassen soll: "Mein grösstes Anliegen ist es, aus der Spannung zwischen Phantasie und Wirklichkeit eine magische Wirkung zu erzielen.