Carl Walter Liner
Landschaft und Abstraktion (1.OG) Wasser, Berge, Wüste (2.OG)
Samstag, 10. September 2005 - Sonntag, 18. Juni 2006
Carl Walter Liner: Landschaft und Abstraktion
Carl Walter Liner (1914 – 1997) ist bekannt dafür, dass er von den 1950er Jahren an sowohl «figurativ» wie auch «abstrakt» malt. Farbenfrohe und gleichzeitig mit schwarzen Umrisslinien und Silhouetten arbeitende Figuren- und vor allem Land-schaftsdarstellungen gehen einher mit gestischen Formulierungen, welche die malerische Verarbeitung seiner Sinneseindrücke in expressiven Kompositionen mit starken Schwarzakzenten fortschreiben. Geprägt von den grundlegenden Umwälzungen im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit hat C. W. Liner sich, wie auch andere Künstler seiner Generation, daran gemacht, der fragwürdig gewordenen Malerei mit einer Erweiterung der künstlerischen Mittel neue Aussagekraft zu verleihen.
Das Zentrum der neuen künstlerischen Bewegung ist zu diesem Zeitpunkt Paris. Innerhalb der so genannten Zweiten École de Paris formieren sich die Kräfte, die ein klassisches Kompositionsprinzip, wie es Liner in seinen Figurenbildern und Landschaften weiterhin verfolgen wird, ebenso ablehnen wie streng geometrische Konstruktionen. Dem gegenüber wird eine gegenstandslose, offene und den Malprozess selbst thematisierende Bildform angestrebt: «L’Art Informel», die informelle Kunst der Avant-Garde.
Die derzeitige Präsentation von Ölgemälden Liners konzentriert sich auf einen kleinen, aber sehr bedeutenden Abschnitt seines Schaffens. Nach ersten Versuchen in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre entdeckt der seit Kriegsende wieder in Paris ansässige Maler im darauf folgenden Jahrzehnt die neuen Ausdrucksmöglichkeiten und den emotionellen Reichtum der abstrakten Bildsprache. Die Ausstellung versucht an ausgewählten Beispielen aus der Sammlung der Stiftung Liner nachvollziehbar zu machen, wie Liner in mehreren Schritten von Landschaftsbildern zu abstrahierten Werken gelangt. Eine wichtige Rolle kommt dabei den Landschaftsdarstellungen zu, die – von seinen Aufenthalten in südlichen Gefilden angeregt – eine nachfauvistische Farbauf-fassung mit sich schwarz absetzenden Repoussoirfiguren verbinden. Ansatzweise Zitate aus der Gegenstandswelt, die eine Reihe von - hier nicht gezeigten - Farbkompositionen um 1950 noch bestimmen, werden dabei ganz zum Schwinden gebracht. In der Gleichzeitigkeit von gegenständlichem und gegenstandsfreiem Ausdruck sieht der Maler keinen Widerspruch. Ihm eröffnet sich damit erst eine neue spirituelle Ebene: «Die Abstraktion in meiner Malerei ist nicht ein Abwenden von der Natur, sondern eine neue Sicht der Natur; eine Ergänzung und Erweiterung in die Phantasie. Ich versuche Natur und seelische Kräfte darzustellen. Mein grösstes Anliegen ist es, aus der Spannung zwischen Phantasie und Wirklichkeit eine magische Wirkung zu erzielen.» TS
Carl Walter Liner auf Reisen: Wasser, Berge, Wüste
Seit seiner ersten Auslandsreise nach Ägypten im Spätherbst 1936 hat Carl Walter Liner (1914 – 1997) bis weit in die 1980er Jahre hinein seine Eindrücke in Zeichnungen und Aquarellen festgehalten und später im Atelier aufgearbeitet.
Immer wieder führen ihn seine künstlerischen Exkursionen in die südlichen Gefilde Europas, die ihn mit ihrer Farbigkeit und den starken Licht-Schatten-Kontrasten motivieren, das Gesehene zu notieren und die oftmals flüchtigen Stimmungen auf zahlreichen Blättern zu fixieren.
Die Ägyptenreise lässt ihn auf der Hinfahrt auch Griechenland besuchen. Im Mai 1937 kehrt er über Italien - mit Etappen in Syrakus, Neapel, Rom und Florenz – in die Schweiz zurück. 1948 hält er sich für Studien in Algerien auf. 1949 unternimmt er die erste Reise nach Korsika, wo er später Bo-den erwirbt und ein kleines Haus errichtet, von dem aus er immer wieder die Berglandschaft und die Gewässer der Insel erkundet. Im selben Jahr reist er erstmals nach Spanien und besucht die Balearen, vor allem Mallorca und Ibiza. Eine erste Italienreise führt ihn 1954 auch auf die Insel Ischia. Im folgenden Jahr hält er sich in Tarragona an der spanischen «Costa Dorada» auf. 1958, ein Jahr nach einer grösseren Reise in die Toscana, erwirbt C.W. Liner ein Atelierhaus in Fontvieille/Provence, von wo aus er die provenzalische Landschaft erkundet.
Mehr noch als in den Gemälden und eindrucksvollen Ölskizzen der 1950er Jahre fällt in den frischen Aquarellen auf, wie sehr sich Liner immer wieder mit dem Wasser beschäftigt. Er skizziert Bäche und Flüsse, Seen und Meeresbuch-ten sowie zahlreiche Impressionen von Hafenlandschaften, Hügeln und Bergket-ten, die kompositorisch die Horizontlinie der Gewässer mit der Tektonik der Steinmassive und der Häuserkuben kontrastieren lassen.
Eine Reise nach Arizona 1984, drei Jahre nach seinem ersten USA-Aufenthalt, beeindruckt ihn anscheinend von einer ganz anderen Seite her: die Vertikalität der Sträucher und Kakteen, die an fruchtbaren Stellen inmitten der Wüsten-landschaft gedeihen, interessiert ihn ebenso sehr, wie das satte Grün der Pflan-zen, das sich vom Rotbraun der Umgebung abhebt.
Unsere Auswahl konfrontiert eine Reihe von Reiseimpressionen, die auf den griechischen Inseln Delos und Mykonos, in der Provence und in Spanien sowie in den späteren 1950er Jahren vor allem auf Korsika – unter anderem in Ajaccio, Propriano und Valinco - entstanden sind, mit Eindrücken Arizonas, die ihren malerischen Niederschlag in zahlreichen «Wüstenbildern» der Umgebung von Tuscon gefunden haben. TS