Carl August Liner und Carl Walter Liner

Variationen

Sonntag, 27. August 2006
- Sonntag, 14. Januar 2007

Kunstmuseum Appenzell

Mit der Präsentation von Carl August und Carl Walter Liner – Variationen kehren die beiden Liners nach mehrjähriger Pause in ihr Stammhaus, das Museum Liner Appenzell, zurück.
In der 62 Exponate umfassenden Überblicksschau werden einleitend die zwischen 1900 und 1940 ent¬standenen Landschaftsgemälde des Vaters Carl August als einfühlsame Modifikationen eines traditionellen malerischen Topos vorgestellt. Der ältere Liner hat im lichtdurchfluteten Duktus der spätimpressionistischen Malerei den Naturraum Appenzell wie auch die Ostschweizer Landschaft insgesamt auf eindrückliche Art und Weise festgehalten, für kommende Generationen als nie kitschiges Bild bewahrt.
 

Aufbauend auf dem künstlerischen Fundament des Naturstudiums, das er selbst während seiner gesamten Schaffenszeit weiter pflegte und fortentwickelte, aber auch in bewusster Abgrenzung zur regional verankerten Genremalerei des Vaters, konnte der Sohn Carl Walter ab den späten 1940er Jahren eine expressiv-experimentelle und immanent systematische Form- und Farbensprache aufbauen und in zahlreichen Werken gestalten, die heute in ihrer Gesamtheit den international ausgerichteten Stilgruppen Abstrakter Expressionismus beziehungsweise Lyrische Abstraktion zugeordnet werden.
 

Grundlage des in der Ausstellung visuell gegebenen Zwiegesprächs zwischen Vater und Sohn ist die These, dass Kunst beziehungsweise das in einem Kunstwerk Dargestellte oder Gestaltete mehr oder weniger prinzipiell eine innovative beziehungsweise freie Variation grundlegender bildnerischer Formtypen oder präexistenter Themen und Motive sei – bei Vater Liner eben der Bildgattung Landschaft, beim Sohn Liner des Malmaterials, Farbe und Form, an sich.
 

So wie Carl August atmosphärische Naturerscheinungen wie Sturm, Sonnenschein, Schneefall oder topographische Gebilde wie Berg, Wald oder See als Ausgangspunkt malerischer Erkundungen nahm, die zu immer neuen und spannungsreichen Abbildern der sichtbaren Wirklichkeit führten, so erschuf Carl Walter aus dem jedem zugänglichen ABC der Malerei, den planimetrischen Figuren Kreis, Rechteck, Dreieck und den Farben Rot, Blau und Gelb oder ihren Abwandlungen, eine eigenständige Farb- und Formensyntax, in der das einzelne, das in sich abgeschlossene Werk überdies immer Grundstein des nächsten Bildes ist. Die beiden künstlerischen Formulierungen, die mimetische des Vaters wie auch die „ungegenständliche“, d.h. nicht mehr auf ein Vorbild bezogene des Sohnes, lassen sich (abgeleitet von der musik-theoretischen Begrifflichkeit) als Variationswerke bezeichnen.

 

Carl August Liners Gemälde sind dabei einem älteren Typus zugehörig, da hier kunst-geschichtlich tradierte Themen inhaltlich, beispielsweise durch die Wahl des Naturausschnitts, und formal, beispielsweise durch die Art und Weise des Farbauftrags, modifiziert werden. So sind die unspektakulären Ausblicke auf die Landschaft, welche Carl August Liner gibt, in der Formulierung durchaus spektakulär, werden im Farbgestus als intensives und ureigenes Erlebnis gestaltet.
Carl Walter Liners Arbeiten hingegen stehen exemplarisch für den abstrakt-konkreten Zweig der Moderne. Er modulierte und erweiterte kontinuierlich seine um 1950 eigenständig entwickelte Ausdrucksform, welche zwar im eigentlichen Sinne selbstreflexiv, d.h. „l’art-pour-l’art“ ist, aber dennoch auf das übergeordnete ideengeschichtliche Umfeld der Suche nach einer universell gültigen Kunst-Sprache verweist, die ausgehend von einfachen Farb- und Formkonstellationen auf der Leinwand das nachempfindbare, mithin lesbare Widerbild innerer Gefühls- und Geisteslandschaften erzeugt – auf diesem Wege das Subjektive ins Allgemeingültige verwandelnd.

Ausstellung
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Carl Walter Liner; Carl August Liner
Bauernhaus im Mondschein, um 1932
Öl auf Leinwand