Carl August Liner

Die Schönheit des Seins

Sonntag, 07. Juni 2009
- Sonntag, 27. September 2009

Kunstmuseum Appenzell

Carl August Liner (1871 – 1946) stammte aus einer Handwerkerfamilie. Er studierte von 1890 bis 1893 an der Akademie der Bildenden Künste in München. Ab 1894 arbeitete er als Zeichenlehrer und Illustrator in seiner Heimatstadt St. Gallen. In den Jahren 1897 bis 1899 reiste er nach Rom, Terracina und Paris. 1901 wurde ihm von der Kunstakademie Düsseldorf eine Professur angeboten, welche er ablehnte. Liner heiratete 1902 Cécile Bernet. 1906 erwarb er zusammen mit seiner Gattin ein Bauerngut am Unterrain in Appenzell, das so genannte Landhaus, das er in Teilen zu einem Atelierhaus umbaute. 1913 gründete der inzwischen etablierte Künstler Carl August Liner die St. Galler Sektion der GSMBA (Gesellschaft Schweizerischer Maler und Bildhauer), deren Präsident er wurde. 1918 wurde er als Ferdinand Hodlers Nachfolger in den Schweizerischen Zentralvorstand der GSMBA aufgenommen. 1928 wurde er Präsident des Zentralvorstandes der GSMBA. Neben der bäuerlichen Selbstversorgung und dem Ertrag aus der Landwirtschaft sicherte Liner die Existenz seiner Familie hauptsächlich durch gebrauchsgraphische Arbeiten, wie Briefmarkenentwürfe, Zeitschriftenillustrationen und Plakate, und betätigte sich daneben als Erfinder (Patent für einen Vorläufer des Einachsmotormähers). 1934 Ägyptenreise im Auftrag der Unternehmer Reinhart und Schmidheiny. 1940 Verschlechterung des Gesundheitszustandes als Folge einer Knochentuberkulose. 1942 Lähmung der unteren Körperhälfte und dauernder Spitalaufenthalt in Appenzell. 1946 in Appenzell gestorben.

 

Mit dem 1907 erfolgten Umzug auf das Land gehört Liner –, neben Edouard Vallet und Ernest Biéler im Wallis und Max Buri im Berner Oberland – zu einer Reihe von Schweizer Künstlern, die nach 1900 bewusst den mondänen Metropolen den Rücken kehrten. Liners Werk wurde als Beitrag zur Charakterisierung der Appenzeller Landschaft und seiner Bevölkerung bekannt. Liner entwickelte, vom photographischen Naturalismus der Münchner Akademie kommend, eine  Freilichtmalerei, die sich an den deutschen Spätimpressionismus anlehnte. Im Gegensatz zu anderen Genremalern illustriert Liner in seinen Werken nicht ausschliesslich das bäuerliche Leben, sondern thematisiert ebenso das malerische Handwerk an sich. Im Spätwerk ab 1930 kommt ein expressiverer Duktus zum Tragen, der das Studienhafte, welches die Werke Liners als Momentaufnahme aus dem Leben auszeichnet, in eine neue Ausdrucksqualität überführt. Die Zeichnungen Carl August Liners sind Dokumente einer herausragenden Begabung, das Wesentliche eines Augenblicks festzuhalten – wobei gerade die Bildnisse immer wieder den bäuerlichen Typus mit einer genauen Studie der jeweiligen Individualität vereinigt. 

 

Die „Schönheit des Seins“, des realen Lebens und seiner ästhetischen Wiedergabe, wird in der Ausstellung anhand von über 100 Werken Carl August Liners aus öffentlichem und privatem Besitz augenscheinlich. Ergänzt wird die Präsentation des herausragenden Werkes des Künstlers mit ausgewählten Werken aus der Sammlung der Stiftung Liner, darunter Mondrian, Josephsohn, Scully oder Kirchner, die ein neues Licht auf die künstlerischen Qualitäten Liners werfen. Ziel der Ausstellung ist neben der Würdigung des Werks des bedeutenden Ostschweizer Malers eine Befragung des Begriffs der Schönheit, der heutzutage fast nur noch im Zusammenhang mit körperlichem Aussehen (oder gar mit plastischer Chirurgie) verwendet wird, ebenso wie das Wort „Sein“ fast nur noch ein Dasein in der reinen Faktizität oder Funktionalität fristet. Beide Begriffe werden so im Allgemeinen ihrer philosophischen, sozialen, kulturellen und meist sehr vielschichtigen Bedeutungen beraubt, die sie seit der Antike für sich beanspruchten. Literatur und Bildende Kunst sind heute jene Bereiche einer umfassenden Ästhetik, in denen die schillernden Qualitäten des „schönen Seins“ oder des „schönen Scheins“, das durchaus auch das landläufig Hässliche einschliessen kann, noch reflektiert, diskutiert und zur Anschauung gebracht werden – wie der Rundgang durch die 11 Kabinette zeigt.

Ausstellung
Tickets
Stehender Knabe (Bildnis Carl Walter Liner)
Öl auf Leinwand, 100 x 70,3 cm, Stiftung Liner Appenzell; Carl August Liner - Heuet, 1940
Öl auf Leinwand, 90 x 150 cm, Stiftung Liner Appenzell; Carl August Liner
Carl Walter Liner, um 1922, Öl auf Leinwand auf Hartfaserplatte, 37,5 x 26,2 cm
Stiftung Liner Appenzell; Carl August Liner
Drei Kinderstudien, o. J., Öl über Kohle auf Karton, 37 x 46 cm
Stiftung Liner Appenzell