Konkrete Idole

Nonfigurative Kunst und afrikanische Skulpturen

Sonntag, 15. November 2009
- Sonntag, 07. März 2010

Kunstmuseum Appenzell

Die Ausstellung Konkrete Idole gibt Einblick in eine mehr als 1000 Werke umfassende private Sammlung aus Süddeutschland, die seit 20 Jahren kontinuierlich aufgebaut wird. Schwerpunkte dieser Sammlung sind aktuelle, seit den 1960er Jahren entwickelte malerische, plastische, zeichnerische Tendenzen der vornehmlich konkreten beziehungsweise konstruktiven oder konzeptuellen Kunst – vertreten durch differenzierte bis heterogene Positionen wie beispielsweise jene von Richard Serra, Alan Reynolds, Aurélie Nemours, Peter Tollens, Werner Haypeter, Frank Badur, Russell Maltz, Marcia Hafif, welche die Spannweite dieser die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts prägenden Kunstrichtung veranschaulichen.

 

Als Counterpart zu diesen non-figurativen, rationalen Bildfindungen der westlichen Moderne ergänzen afrikanische Skulpturen die Kunstsammlung. In der Sammlung findet sich vornehmlich der Typus der aufrecht, mit beiden Beinen ohne Sockel auf dem Boden stehenden Ahnen- oder Wächterfigur – meist um 1900 geschnitzte Gebrauchsfiguren, von der androgynen Figur über das Zwitterwesen bis zur Chimäre, aus den westafrikanischen Siedlungsgebieten der Lobi, Dogon, Fang usw., deren künstlerische Erzeugnisse heute in ihrer reduzierten Formensprache für signifikante Entwicklungen in der modernen Kunst als „Vorbild“ gewertet werden. 

 

In den zehn Kabinetten und in den Annexen des Museum Liner, das aufgrund seiner Architektur sowohl abgrenzt wie öffnet, wird die Sammlung anhand ausgewählter Exponate als Hort der Konfrontation und Kombination unterschiedlicher Kunstmöglichkeiten präsentiert. Dabei leuchtet gerade in der grundlegenden Gegenüberstellung der afrikanischen, scheinbar im Wunder- oder Aberglauben begründeten „Realien“ zu den westlichen, ebenso scheinbar auf Vernunft und Kalkül basierenden „Artefakten“ etwas aufleuchtet, das im Begriff eines Konkreten Idols oder einer Idolischen Konkrete als Metapher für eine sinnvolle Einheit oder Vereinheitlichung des gemeinhin Widersprüchlichen verdichtet ist. 

 

Kunst wird so als jenes Phänomen deutlich, in dem in der Bildwerdung, in der Konkretion – sozusagen im virtuellen Vorgriff auf die Realisation der meisten (sowohl sozial-gesellschaftlichen wie auch religiösen) Utopien – der Dualismus zwischen Körper und Geist, Seele und Vernunft, zwischen Faktischem und Imaginärem, eben das im westlichen Verständnis Unvereinbare der Gegensätze, „aufgehoben“ werden kann, ganz im Sinne von „bewahrt, bearbeitet und aufgelöst zugleich“.  

 

Die Präsenz der Ambivalenzen beschränkt sich nicht nur auf die Begegnung der afrikanischen Kunst mit der Moderne, sondern findet sich letztlich in jedem Werk der Ausstellung, seien es die Bildfindungen der gegen jede Mimesis arbeitenden Indivi-dualisten oder die Imaginationen der in den Traditionen verwurzelten Stammeskünstler. Weit über den üblicherweise thematisierten formalen Bezug hinaus ist der gemeinsame Nenner dieser Künste – und das ist sicher der Kern der Sammlung – die Kombination von handwerklicher und materieller Präzision beziehungsweise Können mit einer auf das Ikonische (Gottfried Boehm) zielenden Hermetik. Im Rundgang durch die Ausstellung wird anschaulich, dass die konkrete bildnerische Sinngebung / Weltbeschreibung von Künstler zu Künstler, von Bild zu Bild, von Skulptur zu Skulptur differenziert, manchmal auch im einzelnen Werk widersprüchlich, aber nie idolatrisch geleistet wird: die Wahrnehmung des Betrachters kann auf dem Weg zu unterschiedlichen, sensitiven und rationalen Erkenntnissen immer vom tatsächlich Sichtbaren, vom gemachten Kunstwerk, ausgehen und daran die davon ausgelösten Assoziationen überprüfen. In diesem Sinne bleiben die Idole konkret, die Kunst wahr. 

 

Zur Ausstellung erscheint ein Begleitbuch, ca. 160 Seiten, etwa 180 Abb., CHF 55.-

http://www.art-tv.ch/4903-0-museum-liner--konkrete-idole.html

 

Künstlergespräche:

 

Sonntag, 24. Januar, 11 Uhr     

mit Werner Haypeter              

 

Sonntag, 21. Februar, 11 Uhr

mit Peter Tollens

 

Im Rahmen der Ausstellung Konkrete Idole bietet die Stiftung Liner zwei Künstlergespräche an. Der Bildhauer Werner Haypeter und der Maler Peter Tollens, die sowohl in der Ausstellung wie auch in der privaten Sammlung, aus der diese zusammengestellt wurde, prominent vertreten sind, sind eingeladen, in der Diskussion mit dem Sammler und mit dem Stiftungskurator, Roland Scotti, Aspekte ihrer Kunst wie auch der Ausstellung zu diskutieren. Dabei sind Fragen und Anregungen aus dem Publikum willkommen.

 

Werner Haypeter gehört zu den wichtigsten Vertretern einer konzeptuell und konstruktiv fundierten Kunst, die neben den rational einsehbaren Konstruktionsprinzipien von Schönheit immer auch das Auratische und Geheimnisvolle einer ästhetischen Erscheinung thematisiert.

 

Peter Tollens dessen malerisches Werk zu den Höhepunkten des Radical Painting zu zählen ist, visualisiert in seinen im Wortsinn vielschichtigen und differenzierten Werken die materiellen Ausdrucksmöglichkeiten von Farbe. In der Erscheinung werden seine Arbeiten aber auch zum Verweis auf den unendlichen Reichtum der Wahrnehmung, die im Sichtbaren das Metaphysische vermuten kann

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